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Georgien und Armenien 2013

fahrt selber hin. Unbedingt!

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Inhalt

Stalin Auge
Stalin Auge

Reiseplan, Einleitung und FAQ

Georgien ist mit Sicherheit kein Land der Frühaufsteher. Vor 10 Uhr morgens passiert gar nichts. Museen usw. schließen um 17 oder 18 Uhr (Mo. Ruhetag). Normale Geschäfte öffnen meist bis 18-20 Uhr. Kleine Lebensmittelgeschäfte schließen spät, teilweise finden sich 24-Stunden-Betriebe (auch Restaurants). Behörden und Fahrkartenschalter pausieren üblicherweise für eine Stunde zu Mittag, was jederzeit zwischen 12 und 15 Uhr sein kann. Gratis WLAN ist inzwischen weit verbreitet, Internetcafes ein aussterbendes Geschäftsmodell. Gewisse deutsche Worte vergesse man bei Einreise sofort, so z. B. „Lebensmittelüberwachung,“ „Umweltbewußtsein,“ „Baustatik“ oder „Brandschutzbegehung.“

Wechselkurse (Okt. 2013, in Klammern, Apr. 2021): 1 € = 2,45 (9,66) türkische Pfund (T₤), 2,25-8 (4,11) georgische Lari (₾) zu 100 Tetri, 550 (625) armenische Dram (Dr), 50 (90) russische Rubel (R). (Nachfolgend alle Preisangaben Stand 2013.)

Georgien ist ein absolut sicheres Reiseland. Nur ganz selten wird jemand laut und regt sich auf (eigentlich nur keifende Marktweiber).
Wenn ich allgemeine Aussagen über „Georgien/Armenien“ mache, gelten sie nur mit Einschränkungen für die Hauptstädte. Auffallend ist zum einen das fast vollständige Fehlen von Wandschmierereien („Graffiti“) und Unterwäschereklame mit halbnackten Frauen. Bei Vielem habe ich mich an Südspanien in den frühen 1980ern vor dem EU-Beitritt 1986 erinnert gefühlt.

Es gibt so gut wie kein Postwesen in Georgien mehr, Briefkästen existieren nicht. Hauszustellungen finden nicht nur mit persönlicher Übergabe u. a. auch von Postkarten statt, benachrichtigte Sendungen müssen vom Postamt geholt werden. Die wenigen verbliebenen Postämter sind in finsteren, heruntergekommenen Gebäuden untergebracht. Das Porto ist extrem hoch (nach Deutschland kostet eine Postkarte ₾ 4 = 1,77 €, ein Brief ₾ 10!), allerdings muß ich zugeben, daß alle meine Karten angekommen sind. Paketversand erfolgt per Kurierdienst zu entsprechenden Preisen. In Armenien betreibt die holländische Firma Haypost den Dienst für den Staat in normaler Weise (Postkarte 240 Dr = 0,43 €, Brief 340 Dr).

Marshrut
Wer ist älter – der Bus (Marshrutka) oder sein Fahrer (li.). Zugegebenermaßen sind solche ollen Dinger die Ausnahme. Zahlreiche der Fahrzeuge sind, wie man an der Beschriftung erkennt, ehemalige deutsche Handwerkerfahrzeuge, in die man 10-15 Sitze eingebaut hat.

Transport: Ein Marschrutka (Pl.: Marschrutki, russ. Маршрутка heißen im ganzen russischen Kulturraum die, traditionellen gelben, „Sammeltaxen“ bzw. Kleinbusse, die einen großen Teil des Personennah- und in den Provinzen -Fernverkehr abwickeln. Gemeinsam ist ihnen Enge und schlechte Luft, bei vertretbaren Preisen. Bei der häufigen Überfüllung sind Fahrten für stehende Passagiere, besonders ab einer Körpergröße über 1,70 m, äußerst unbequem. Dazu kommt wegen der Enge oft deutlich wahrnehmbarer Körpergeruch der Mitfahrenden. Bezahlt wird möglichst passend beim Fahrer, je nach ortsüblicher Praxis beim Ein- oder Aussteigen, in Tiflis manchmal schon mit der Wertkarte. Belege gibt es keine.) ist ein, eine feste Strecke bedienender, Kleinbus (Schilder nur georgisch), der zu mehr oder weniger fixen Zeiten (oder wenn voll) abfährt. Zwar gibt es in den Städten Haltestellen, ansonsten wird nach Bedarf ein- und ausgestiegen. Für ältere Herrschaften oder bei viel Gepäck werden auch mal ein paar Kilometer Umweg gemacht. Pausen zum Pinkeln gibt es aber auch bei sechsstündiger Fahrt nicht!

In größeren Ortschaften gibt es auch reguläre Buslinien mit 20-Sitzer-Bussen [in Tiflis in den letzen Jahren gewaltig modernisiert], diese meist Made in China. Das System funktioniert, wenn man es einmal kapiert hat, auch ohne Fahr- und Routenpläne erstaunlich gut. Ein bißchen dumm schauen, nach dem Ort fragen und man wird von netten Menschen in das richtige Fahrzeug gesteckt. Die Fahrpreise sind angesichts von Spritpreisen um 1€ lächerlich niedrig.
Der gesamte Zugfahrplan des Landes paßt auf ein Blatt DIN A 4.

Im Straßenverkehr sind Ampel und durchgezogene Linien in Georgien allenfalls „Empfehlungen.“ Da jedoch jeder vorausschauend und rücksichtsvoll unterwegs ist (nix „ich habe Vorfahrt und deshalb darf ich dich niedermähen“) läuft der Verkehr ziemlich reibungslos. Geldtransporter scheinen mit Blaulicht und Sirene Vorrang zu haben. Ich habe in drei Wochen nur einen Unfall gesehen – am vielbefahrenen Hauptplatz von Tbilisi zur rush hour.
Armenier fahren deutlich gesitteter, dort wird schon mal an Zebrastreifen gebremst. Fußgänger warten sogar bis Ampeln (mit Sekundenanzeiger bis zum Umschalten) grün sind.

Innerei
Ganz frische Innereien am Markt von Gori.

Einkaufen: Es herrscht absolute Ehrlichkeit im Geschäftsleben, so wie ich es bisher nur aus Japan kannte. Selbst für kleinste Beträge werden Kassenzettel ausgestellt. Wenn man Obst und Gemüse (in Tiflis deutlich teurer als am Lande) in den zahlreichen Märkten kauft, sieht man erst zu welchem gewaltigen Sortenverlust unsere standardisierten EU-Handelsklassen geführt haben. Im „Bazar“ kann Wechselgeld zum Problem werden, es wird aber immer jemand zum Wechseln gesucht.
Das Warenangebot erinnert stark an gleiche Einrichtungen in Indien: viel aus China importierter Plastik-Ramsch, türkische Haushaltswaren, Obst und Gemüse vom Produzenten in der Region.
In Armenien und im besetzten Abchasien gibt es auch viele russische Güter minderer Qualität (letztere oft zu Preisen deutlich über denen für gleichartiges in Deutschland).
Supermärkte, so es sie gibt, sind bei lokalen Produkten 2-3 Mal teurer als die zahlreichen kleinen Geschäfte an jeder Ecke. Man ist in der Region wohl nie weiter als 500 m von einem Laden für Lebenswichtiges (Brot und Wodka) entfernt; gefühltermaßen jedes zweite Geschäft ist zugleich Wechselstube. Rollfilm ist in Georgien außerhalb von Tiflis praktisch nicht mehr erhältlich. Wenn, dann gibt es, aus der unteren Schublade, nur, oft hart am Ablaufdatum liegenden, Fuji ISO 200 für ca. 4 €.

Kleidung und Schuhe werden größtenteils aus der Türkei importiert, man trägt gedeckte Farben. Für Mitteleuropäer lohnt sich ein derartiger Einkauf kaum. Daneben gibt es wenige teuere Boutiquen mit Kleidung Spitzenmarken, die aber preislich deutlich über Mitteleuropa liegen. In Batumi scheint es gar kein richtiges Bekleidungsgeschäft zu geben. An jeder Ecke wird gebrauchtes Material aus der Altkleidersammlung angeboten. Umso erstaunlicher, daß man fast niemanden in abgerissener Kleidung sieht.

Gegenüber Genußmenschen ist man tolerant. Geraucht werden darf zum so ziemlich überall. Zigaretten kosten stattliche ₾ 1,70 bis 3 (0,75-1,30 €). In Armenien werden sie dann bezahlbarer: die Schachtel ab 120 Dram (22 cent) … Zigarren gibt es nur pafümiert, teuer und übelriechend. Auf dem Markt in Batumi liegt Tabak lose in Ballen zu Verkauf aus. Offiziell ist das Mindestrauchalter 18, ich bin jedoch schon in Batumi von mehreren 10-12jährigen Burschen um Kippen oder Feuer angeschnorrt worden (wie Spanien vor 1985, auch dort war das Mindestalter „sobald man groß genug ist über die Ladentheke zu sehen“).

Auffällig ist die große Anzahl von Apotheken. Auch sieht man, welche Verbesserung der Lebensqualität für Ältere künstliche Hüftgelenke in Deutschland gebracht haben. In Georgien, wo diese nicht von der Kasse bezahlt werden, gibt es erschreckend viele gebückte, offensichtlich leidende Rentner.

Elektro
Bei derartig kokelnden Elektroinstallationen hilft vermutlich nur noch beten. In einer Unterkunft hatte ich IN der Dusche eine lose aus der Wand hängende Steckdose. 😓

Religion: Ich weiß zu wenig über die Riten der autokephalen georgische orthodoxen Apostelkirche bzw. der armenischen apostolischen Kirche um auf sie eingehen zu können, in beiden Fällen handelt es sich nicht um schismatische orthodoxe Kirchen. Die von mir besuchten Kirchenbauten kann ich nur als unverständiger Laie betrachten. Sie waren vergleichsweise klein und bescheiden ausgestattet, wurden in vielen Fällen – nach jahrzehntlanger sinnvoller Nutzung durch die Sowjetmacht z. B. als Getreidespeicher – nun renoviert. Auffallend war, daß man sich im Vorbeigehen an Basiliken (dreifach) bekreuzigt, in einer Weise, die vom katholischen Ritus abweicht. Vereinzelt gesehen habe ich Gläubige, die jede Ecke einer Kirche küßten, ebenso wie im Inneren die Ikonen. Wie überall im christlichen Kulturkreis sind die meisten Kirchenbesucher weiblich, die sich oft ein dünnes Kopftuch umlegen, ohne sich dabei allerdings wie Koranläubige zu verhüllen.

Dünne Opferkerzen, üblicherweise honiggelber Farbe, werden auch in Privathaushalten angezündet. Dort findet sich oft eine Wand mit Heiligenbildchen vor denen tägliche Verrichtungen stattfinden. Neben vielen Türrahmen findet man ein kleines Jesusbild.

Georgische Mönche sind auch daran schuld, daß der Buddha im Jahre 1590 zum katholischen Heiligen wurde. Textanalysen mittelalterlicher Manuskripte zeigten, daß dessen Lebensgeschichte nach Europa gelangte, wo er verballhornt in der Legende von Barlaam und Josaphat anerkannt wurde. Er wird heute noch besonders in Sizilien verehrt.¹

Politik und Wirtschaft: Man kämpft noch schwer mit dem sowjetischen Erbe und den Kriegsschäden der russischen Einfälle 1992/3 und dem selbstprovozierten Krieg 2008. [Dazu mehr im Abschnitt Ergänzungen] Überraschend daher wie lebensfroh und freundlich die meisten Leute zu sein scheinen.

Das Existenzminimum wurde im Sommer 2013 auf ₾ 146 (65 €) festgesetzt. Daraus ergibt sich ein Grundsicherungs-Regelsatz für Pensionen von ₾ 150. Eine Art „Sozialamt“ existiert. Die Arbeitslosigkeit scheint sehr hoch. Man sieht daher in Tiflis und Batumi (sonst kaum) zahlreiche Bettler, oft gebeugte Mütterchen bzw. Verkäufer von Kleinstmengen Tempotaschentüchern, Knabbersachen, Zigaretten einzeln usw. sind zahlreich. Im Park lebende Obdachlose habe ich nur zwei Mal gesehen. Ein durchschnittliches Netto-Einkommen ist ₾ 5-600 (222-66 €). Der landesweite Durchschnitt für die Miete einer 85 m² Wohnung liegt bei ₾ 120-150 in den Städten wohl deutlich darüber. In Schulen gibt es teilweise noch Schichtunterricht, wie bei uns nach dem Krieg.

Ich maße mir nicht an die georgischer Politik zu verstehen, sie muß in den ersten Jahren der Unabhängigkeit ziemlich chaotisch gewesen sein. Die „Rosenrevolution“ – wie inzwischen bekannnt vom US-Geheimdienst gesteuert – brachte jugendliche „Reformer“ an die Macht, die den Staat im neo-liberalen Sinn auftragsgemäß umbauen. Es stand zum 27.Okt. 2013 eine Präsidentenwahl an. Politische Tradition der letzten Jahre hat es, daß abgewählte Spitzenpolitiker ihren Amtssitz meist schnell mit einer Gefängniszelle tauschen. Der wirklich starke Mann, der die Strippen zieht, ist zugleich der reichste Mann des Landes Bidzina (Boris) Iwanschwili, im Nebenberuf Ministerpräsident. Seit 2010 französischer Staatsbürger hat er seit 2011 nicht einmal mehr die georgische Staatsangehörigkeit. Er steht an der Spitze der konservativen Koalition „Georgischer Traum.“ [Auch dazu mehr im Abschnitt Ergänzungen]

Zugleich zur Wahl kommt eine Verfassungsänderung, die das stark präsidiale System in ein Kabinettssystem ändern soll. Iwanschwili sponsort den ehemaligen Unirektor Giorgi Margwelaschwili, dessen Plakate mit der Kandidatennummer 41 viele Wände zupflastern. [Er gewann tatsächlich mit deutlich über 60%.] Kandidat Nr. 5 erinnert mich fatal an Markus Söder, auf seinen Plakaten scheint er sich nur in der Krawattenfarbe zu unterscheiden – aber die ist bei Söder ja auch schon lange nicht mehr grün. Iwanschwili will sich angeblich nach der Wahl aus der Politik zurückziehen, behält sich aber vor seinen Nachfolger zu benennen. [Nach Hin- und Her gab er erst 2021 den Parteivorsitz endgültig auf.] Georgien lehnte sich schon bald nach der Unabhängigkeit an USA und NATO an, was wohl der wahre Grund ist, daß Rußland zwei Provinzen südlich des Kaukasus-Hauptkammes besetzt hält, um dann wie beim Einfall 2008 stategisch einen Fuß in der Tür zu behalten. Ein wesentlicher Teil der georgischen Militärausgaben (7% des BIP) wird von den Amerikanern getragen, die ihre massiven Investitionen in die neuen Ölpipelines sichern.²

Vollkommen unsinnig erschien das von einer wohl amerikanischen NGO bezahltes Plakat mit einem der Klitschko-Brüder, das das Feministinnen-Schlagwort “gender equality” verbreiten wollte, angesichts des geballten Selbstbewußtseins georgischer Frauen, die anders als unsere Emanzen dabei ihre Weiblichkeit nicht verlieren und zugleich einen ihnen eigenen Platz in der Gesellschaft haben.³ Witwen am Lande tragen lebenslang schwarz.

Käse
Geräucherter Zopfkäse, etwas salzig aber schmackhaft ist auch sonst in Osteuropa verbreitet.

Essen: Ich habe mir in drei Wochen nur einmal ein Abendessen im Restaurant geleistet, weil georgisches “fast food” so genial ist, daß man davon wochenlang leben kann. Ich meine damit vor allem "warmes Brot," das es in etlichen Varianten gibt. Das heißt vor allem Schmalzgebackenes oder Blätterteigtaschen wie z. B. khatchapuri (viereckig, gefüllt mit Käse), sowie zahlreiche andere Teilchen, deren Namen ich nie gelernt habe. An der Form erkennt man mit etwas Übung was drin ist: Ei, Hackfleisch mit oder ohne Kartoffeln und vieles mehr. Preise zwischen ₾ 0,60 und 2. Ein „Schaschlik“ ist jede Art von gebratenem Fleischspieß (ohne Gemüse), der dann mit roher Zwiebel oder ins Fladenbrot gewickelt gereicht wird. Als besonder Spezialität preist man Kinkhali an. Tatsächlich handelt es sich dabei um nichts anderes als die örtliche in Wasser gekochte Variation der Teigtaschen, die in Japan als gyōza, in Tibet als momo bekannt sind – man merkt den offensichtlichen Import über die Seidenstraße. Döner gibt es als Schwarma im Fladenbrot gerollt („ohne alles“); mit Preisen von ₾ 3-5 ein Luxusimbiß.
Zu vielen Gerichten gehören gehackte Nüsse. Scharf gewürzt wird kaum, Knoblauch findet Verwendung.

Kaffee trinkt man feingemahlen im türkischen Stil, als Nescafe oder vergleichsweise dünn aufgebrüht. Verständlich wird das wenn man den Verkaufspreis in Relation setzt: Ein 100 g Päckchen (die übliche Größe) kostet ab 0,60 €. Im Cafe oder aus Espressomaschinen ausgeschenkten „richtigen“ Kaffee bezahlt man mit ₾ 2-3 pro Pappbecher – für das gleiche Geld könnte man auch moderat zu Mittag einen Imbiß nehmen. Tee wächst in Georgien (und der türkischen Rize-Region) in erträglicher Alltagsqualität.

Die Halbe Bier wird für ₾ 1,20-30 gezapft. Es schmeckt vergleichsweise fruchtig. Chacha ist die lokale Antwort auf Grappa und im Vergleich zu Wodka teuerer. Dazu und zum Wein mehr im Abschnitt Kutaissi.

Stand
Nett sind die „Limostände.“ In den konischen Behältern ist pappsüßer Sirup verschiedenster Geschmacksrichtungen, der dann mit Soda aufgefüllt wird.

Trabzon

Anreise über Trabzon nach Batumi

Planung. Der eigentliche Anstoß zu dieser Reise war, daß ich im Frühjahr zufällig auf der Website der türkischen Pegasus gelandet bin. Nach etwas herumprobieren ergab sich die Möglichkeit günstig auch von Teheran zurückzufliegen. Nun buchte ich einen Hinflug nach Trabzon, um dann über Land durch Georgien (von dem ich nichts wußte) und Armenien nach Persepolis zu fahren.

Angeblich soll es ja heutzutage [2013] einfacher sein in den Iran zu gelangen, den ich ja wie andernorts erwähnt von Indien aus 1993/4 nicht durchreisen konnte.

Die Unterlagensammlung für das iranische Visum war trotzdem noch beeindruckend: 2 Seiten Formular, Farbphoto, Nachweis der Krankenversicherung, Flugbestätigung und das nette Zusatzformular [Sind Sie Terrorist? Waren Sie mal einer? Kommen Sie in den Iran, um einer zu werden?] dazu noch günstige 80 €. Nachdem ich den ganzen Wust beisammen hatte, hin zum Konsulat in München, wo der nette Herr dann noch eine „Referenznummer des Außenministerium“ verlangte. „Was bitte?“ Na eben eine im voraus durch Einladung vor Ort zu besorgende Nummer … Netterweise sagte er, dafür gäbe es spezialisierte Reisebüros (die einem dann noch eine Luxushotelbuchung mit auf’s Auge drücken). Das günstigste Angebot, das ich im Netz fand waren weitere 60 €. – Also € 140 Eintrittsgeld, um eine Woche in einem Land ohne Bier, Schweinshax’n und nur mit eingewickelten Frauen eingepackt spazieren zu fahren? – Danke, ohne mich! [Seit einigen Jahren gibt es sehr viel einfacher erhältliche eVisa und unter bestimmten Bedingungen bei Ankunft am Flughafen.]

Ähnlich unverschämt teuer für Sichtvermerke ist auch Azerbeidschan, das ja am Weg läge – hier ist man mit US$ 100-140 dabei. [Inzwischen gibt es online für US$ 24 Touristenvisa für 30 Tage. Man muß sich weiterhin spätestens am neunten Kalendertag polizeilich anmelden.]

Pegasus war noch nett genug, anzubieten, daß ich ohne Gebühr nur den Teil des Rückflugs ab Istanbul benutzen könnte.

Trabzon

Gelandet bin ich mit der letzen Maschine des Tages um halb elf. Nun kam auf dem Band mein Gepäck nicht. Das lag aber nicht daran, daß es verloren war, sondern daß in der Türkei zwar die Einreisekontrolle in Istanbul stattfindet, die Zollkontrolle für Transitgepäck erst am Zielort. Nachdem das geklärt war, raus aus dem Inlandsterminal, 200 m zum leeren internationalen Terminal, den Sicherheitsfuzzi aufwecken, durch die Sicherheitsschleuse mit dem vollen Programm, Schuhe und Gürtel aus …, durch eine Seitentür in die Zollabfertigung wo ich sofort namentlich aufgerufen werde. Warum einfach, wenn’s umständlich auch geht.

Der letzte Bus in die sechs Kilometer entfernte Innenstadt war natürlich schon weg. Ich marschierte neben der Stadtautobahn los und hätte mich gerne mit dem Schlafsack in den nächstbesten Park gelegt. Leider hatte es den ganzen Tag geregnet, der Boden war durchgeweicht. Nach etwa einer Stunde gelangte ich in die Nähe der Busstation. Das erste Hotel war voll. Der Portier des zweiten, dem Hotel Terminal, erkannte, daß er hier „einen Stich“ machen konnte und nahm mir 40 TL für eine Bude ab, die allenfalls 25 wert war (Dusche im Zimmer, Plumpsklo am Gang). Den Ausweis behielt er für den Papierkrieg ein.

Inzwischen war ich ziemlich geschafft, ab in die Dusche. Nach etwa einer Viertelstunde klopfte es, ich dachte der Portier würde meinen Ausweis bringen und öffnete mit dem Handtuch um die Hüften. Nun stand vor der Tür nicht der Portier, sondern, nennen wir sie „Natasha, Natasha“ eine eher rassige russische Schönheit für Sonderdienste. So etwas ist mir in Südostasien öfter passiert, in einem extrem konservativ Teil der hinteren Türkei hat mich dieser Service doch überrumpelt, so daß ich dankend ablehnte. Sie hatte dann beim Zimmernachbarn mehr Erfolg, was bis etwa halb drei deutlich zu hören war.

Früh um zehn ging’s per Kleinbus weiter. Eigentlich wollte ich von Hopa, der letzten Stadt in der Türkei, die etwa dreißig Kilometer nach Batumi zu Fuß gehen. Nachdem ich aber während der Busfahrt von Trabzon die einzige Straße sah, habe ich das schnell aufgegeben. Entlang der Küste führt nur eine Autobahn mit etlichen Tunnels. Ansonsten reichen die Berge bis ans Meer. Hätte ich das mit meinem angeknacksten Knie zu Fuß gemacht, hätte eine Woche für den Marsch über Stock und Stein nicht gereicht.

Sarpi (Grenzübergang nach Georgien)

Sarpi
Blick zurück nach Asien: Vorbei am supermodernen georgischen Grenzabfertigungsgebäude blickt man auf eine auf türkischer Seite befindliche Moschee. Im Rücken auf georgischer Seite gleich eine kleine Kirche. [Die türkische Seite wurde 2017/8 modernisiert und ausgebaut. Gepäck wird durchleuchtet wenn man in die Türkei einreist, besonders gesucht wird Schnaps.]

Bei der Ausreise aus der Türkei wird vergleichsweise strikt kontrolliert. LKWs stauen sich mehrere Kilometer vor der Grenze.

Die entspannte Einstellung der Georgier wird sofort sichtbar. Vor dem Grenzgebäude sitzt ein junger Bulle breitbeinig auf einem weißen Plastikstuhl und lugt gelangweilt under seiner Baseballkappe hervor. Beim Grenzübertritt wird man photographiert, eine Zollkontrolle fand nicht statt. Man sollte Bargeld in der Bank im Abfertigungsgebäude wechseln. Dort ist der Kurs zwar auch nicht gut, die Wechselstuben an der Grenze geben aber 10-12% weniger, als man in Batumi erhält. Direkt hinter der Grenze warten Taxis, es gibt aber einen städtischen Kleinbus (Nr. 101) der die 16 km nach Batumi für ₾ 1. bewältigt. Auf halber Strecke die Ruine einer sehenswerten aus römischer Zeit stammenden Festung Gonio.

In einer Broschüre des Fremdenverkehramts im Grenzgebäude fand sich folgender Hinweis, den ich hier vollständig zitieren möchte (Orig. engl., meine Übs.). Es ist verboten:

  • Unter dem Einfluß von Alkohol, Betäubungsmitteln oder Psychopharmaka Auto zu fahren. (Strafe bis ₾ 200)
  • In einem sich bewegenden Fahrzeug ohne Sicherheitsgurt zu fahren. (Strafe ₾ 40)
  • Während der Fahrt ein Mobiltelephon zu benutzen. (Strafe ₾ 10)
  • Ohne Helm Motorrad zu fahren.
  • Waren im Werte von über ₾ 500, die zum persönlichen Gebrauch eingeführt werden, sind mit 18-30% zollpflichtig.
  • Die Grenze mit Rauschgift oder Sprengstoffen zu überqueren.
  • Bargeld von über ₾ 30000 ist anmeldepflichig.

Es ist [in Georgien] gestattet:

  • Alkohol zu trinken (gleich ob in Gebäuden oder auf offener Straße ).
  • In Spielbanken oder anderen Orten an Glücksspielen teilzunehmen.
  • Zu rauchen, abgesehen von Verwaltungsgebäuden. [Seit 2018 am Arbeitsplatz und allen öffentlich zugänglichen Gebäuden verboten.]
  • Einmal monatlich bis zu 30 kg Waren, im Wert unter ₾ 500, zollfrei für den persönlichen Gebrauch einzuführen.
  • Anzuziehen was einem gefällt.

Allah ul akubar Kopf ab“ sage ich hier mal! Oder vielleicht doch besser „Gott sei Dank!“

Polizeistation
Die neuen georgischen Polizeistationen scheinen alle diesem Muster mit großen grünen Glasfassaden zu folgen. Hier Tiflis-Tzereteli.

Ansonsten hat man ab 2006 die Polizei reformiert, d. h. jeden auch nur im geringsten Umfang der Korruption verdächtigen entlassen, so daß etwa zwei Drttel der sehr zahlreich auf den Straßen sichtbaren Polizisten, die nach amerikanischem Muster geschult wurden, unkorrumpierbare Neueinstellungen sein sollen. Ein für die post-sowjetischen Republiken einmaliger Vorgang. Lediglich die Baseballkappen sind etwas geschmacklos.
Im Lande selbst sind viele Wachmänner und Polizeiautos unterwegs. Warum, ist mir nicht ganz klar geworden – nötig scheinen sie nicht wirklich.

Batumi

Ich muß gestehen, ich war noch keine Stunde im Lande und war verliebt – in die offenkundige Lebensfreude, Aufgeschlossenheit der Menschen.

Batumi
Brief

Batumi, zwischen dem zerfallenden osmanischen Reich und der enstehenden Sowjetmacht liegend war 1919–20 von den Engländern besetzt, es gab sogar eigene Briefmarken. Dies weil – wie zahlreiche Gründerzeitbauten noch heute zeigen – der Hafen früh ein wichtiger Umschlagplatz für das aus Baku kommende Öl war. Heute investieren eher die Amis, am lautesten spricht darüber Donald Trump.
Luxushotels der Sheraton- und Radisson Blue-Ketten haben ihre eigenen Spielkasinos.

Love Bambus Relax Hamburgerwechsel Mc Piazza Armenische Kirche Seilbahn Turm Metzgerei Füße naß Busbahnhof Hofbräuhaus Brunnen Fähre Hotel Leogrand Pier

In den Vorzeigevierteln in Strandnähe durften sich moderne Architekten ungestört austoben, wie in vielen anderen Teilen Georgiens auch. Bei all diesen Neubauten zeigt sich allerdings schon nach wenigen Jahren der einsetzende Verfall, da man in Georgien keine Wartungsarbeiten (Hausmeister!) durchführt. Sofern etwas repariert wird, geschieht dies üblicherweise nur provisorisch. Den Fassaden der alten grauen Sowjetbauten hat man etwas Kosmetik verordnet: die Balkone werden mit bunten einheitlichen Plastikabdeckungen aufgehübscht, die Hauswände in teilweise grellen Farben gestrichen – Potemkin läßt grüßen. Wahrscheinlich fehlt für echte Sanierungen einfach das Geld. Zahlreiche Bauten, besonders in den Gebieten, die von den beiden Kriegen (1992/3 und dem Russeneinfall 2008) betrofffen waren, stehen jedoch leer. Gemeinsam ist ihnen, daß Fenster herausgebrochen wurden. Bei vielen Hauseingängen habe ich mich gefragt: „Wohnen hier wirklich noch Menschen?“ In Berlin oder Frankfurt hätte ich mich so wo (das Wort „ Abbruchhaus“ wäre oft ein Kompliment) auch bei Tageslicht alleine nicht hineingetraut. Ebenso sind zahlreiche Elektroinstallationen einfach zum Fürchten, z. B. eine lose aus der Wand hängende Steckdose in der Duschkabine.

Die sofort nach dem Grenzübertritt auffällige Lebensfreude und Freundlichkeit macht jedoch alles wett. Die Straßen werden morgens gekehrt, die überall herumstehenden Mülltonnen finden regelmäßige Benutzer. Batumi ist ein bißchen der „Wilde Westen“ des Landes als Grenzort bietet man den aus restriktiveren Gesellschaften kommenden Gästen entsprechende Dienste. Zigeunersippen gehen hier und in Tiflis ihren üblichen Beschäftigungen nach, zahlreich sind bettelnde Kindergruppen. [Seit etwa 2015 verschwunden.]

Batumi
Blick über die Neubauten am Hafen von Batumi, finanziert von „internationalen Finanzinvestoren.“ Rechts der Alphabet Tower, die 33 Buchstaben des georgischen Alphabets darstellend. Nachts alles schön angestrahlt. (Aufnahme aus dem Riesenrad heraus.) [Das Hochhaus mit der goldenen Uhr war nur eine leerstehende Hülle und auch 2019 noch nicht fertig. Erinnert ein bißchen an das Ryugyŏng-Hotel in Pyongyang über das sich westliche Medien gerne lustig machen – das kommt in einem Ort in dem auch Donald Trump die Fäden zog der gleichgeschalteten westlichen Berichterstattung nicht in den Sinn.]
Gorilla
Nicht das örtliche Stalin-Denkmal.

Der „Bazar“ erinnerte mich stark an das Warenangebot gleicher Institutionen in Indien allerdings ohne den dortigen Gestank, Betrug und Aufdringlichkeit. Im Juli/August soll der Ort gut voll werden. Auf dem täglich gesäuberten Kieselstrand liegt es sich überraschend gut.

Vom Hafen geht über 2½ km und 400 m Höhenunterschied eine 2011 eröffnete Seilbahn (₾ 3 retour 2019: ₾ 15) auf einen nahen Berg mit großartigem Blick auf die Bucht. In derselben Ecke hat man noch einen nachts schön beleuchteten „Alphabet-Turm,“ der die georgische Schrift würdigt und ein Riesenrad aufgebaut. Auch die Altstadt wird aufwendig saniert – es sind jedoch schon die ersten Investitionsruinen sichtbar.

Eine „Turk Bar“ sucht man in Batumi ebensowenig zum Essen auf wie ein „russisches Restaurant“ in Trabzon – serviert werden in beiden Fällen nämlich die „Bedienungen.“

Der Personenbahnhof „Makhinjauri“ liegt knapp zehn Kilometer nördlich der Stadt, den innerstädtischen hat man weggebombt. [2015 eröffnete man einen neuen Bahnhof (Ausländern versucht man für die jeden zweiten Tag kurz nach Mitternacht nach Tbilisi fahrenden neuen Züge schweizer Fabrikats nur Fahrkarten 1. Klasse zu verkaufen. Die sind den dreifachen Preis der 2. Klasse nicht wert. In beiden Fällen sind die Lehnen nicht verstellbar, was die knapp sechs Stunden Fahrt unbeque macht.) näher an der Stadt, aber immer noch außerhalb.] In der Nähe ist noch ein ausgedehnter botanischer Garten. namens Mzwane Konzchi (auf wikivoyage).

Strandpromenade

Die fast sieben Kilometer lange Promenade mit ihrem Kiesstrand, der sehr sauber gehalten wird, soll im Sommer sehr voll werden.
Mein Fazit: eine sehr lebendige, bunte, lebensfrohe Stadt mit gewaltigem Potential. Die Webseite der Fremdenverhrsinformation ist gut gemacht.

Batumi

Zugdidi und die Inguri-Brücke

Zimmer
Zimmer im Hotel Zugdidi.

Zugdidi ist die Hauptstadt der Region Mingrelien und Oberswanetien, im Westen Georgiens. Der Bahnhof Ingiri ist drei Kilometer außerhalb. Sehenswert ist das Museum im Schloß der Familie Dadiani, das sich in einem gepflegten Park am Nordende der als Allee ausglegten Hauptachse des Ortes befindet. Der danebengelegene botanische Garten ist seit dem letzen Russeneinfall weitgehend verwahrlost und ohne jegliche wissenschaftliche Beschilderung. Insgesamt zählte ich drei Gärtner, die mit Sensen etwas den Wildwuchs bekämpften. Beliebt sind die kaum beleuchteten Parkbänke allerdings abends bei knutschenden Teeniepärchen. Wobei bei letzteren auf dem Lande auffällt, daß fast immer eine Freundin als Anstandswauwau dabei ist und viele Pärchen deutlich älter als bei uns sind.

Nachdem sich im am Stadtrand im Hostel nachsaisonal kein Lebenszeichen zeigte, bin ich in das insgesamt befriedigende innerstädtische Zugdidi Hotel gezogen (₾ 50, etwas englisch).
Vor dem Hotel fand sich zur sehr ungeorgischen Uhrzeit von 7:30 morgens ein Taxifahrer, der mich für ₾ 10 zur zehn Kilometer entfernten Inguri-Brücke brachte.

Zur „Grenze“ nach Abchasien: Inguri-Brücke

Inguri-Brücke
Die Inguri-Brücke bauten deutsche Kriegsgefangenen 1946/7.

Auf der georgischen Seite ein Posten in dem ein sehr junger Polizist jeden einzelnen der zahlreichen Stempel in meinem Paß (ganz Südostasien) genau inspizierte. Nur beim türkischen Vermerk huschte ein Hauch von Erkennen über sein Gesicht. Zum „Auschecken“ eines so schweren Falles mußte dann der Chef aus dem Hinterzimmer geholt werden – als er schon halb draußen war, kam er schnell zurück, um seine Knarre, die offen am Schreibtisch lag, noch mitzunehmen. Chefchen brauchte schließlich zehn Minuten den Paß zu scannen.

Vor der Brücke warten Panjewagen zum Hinüberfahren. Ich wählte den etwa einen Kilometer lange Fußmarsch. Weiter vorne noch ein Millitärposten, die Straße zeigte deutliche Spuren von Panzerketten. Die in extrem schlechten Zustand befindliche Inguri-Brücke spannt gut 800 m über ein halb ausgetrocknetes Tal.

Abchasien

Inguri-Brücke
Mehr als ein Fahnenmast hat das „unabhängige” Abchasien bei Ankunft nicht zu bieten.

„Drieben“ dann ein Soldat, der einen in eine links und rechts drei Meter hoch eingezäunten Gang weist, bis man am eigentlichen Grenzposten ist. (Alles weniger bedrohlich als provisorisch. Die Engländer sichern jeden Zugang zu den Kanalfähren besser.) Mit mir wird eine polnische Touristin mit ihrer fünfjährigen Tochter nach vorne durchgewunken, so daß wir die ersten Kunden des Tages (Grenzöffnung 8:30) sind. Es folgt eine im sowjetischen Stil gehaltene Paßkontrolle (alle Seiten gezählt), Blick in die Augen des Grenzers usw.

Einreise: Das Verfahren zur Einreise in die „unabhängige“ Republik Abchasien ist weltweit einzigartig. Man beantragt beim „Außenministerium“ per eMail durch Einsendung einer Paßkopie – interessanterweise unverschlüsselt über einen gmail-Account, wohl damit der „große Bruder“ NSA auch ungestört mitlesen kann – ein Einladungsschreiben, das man sich ausdruckt. Dies wird an der Grenze einbehalten, man muß sich dann innerhalb dreier Tage beim „Ministerium für Verteibung“ (engl.: “Ministry of Repatriation,” was ich hier absichtlich frei mit „Vertreibung” übersetze, denn die Aufgabe der Herrschaften ist es die verbliebenen ethnischen Georgier in ihre „Heimat“ zu vertreiben und potentiellen Rückkehrern der rund dreihunderttausend Kriegsflüchtlinge das Leben schwer zu machen) in der „Hauptstadt“ Suchumi (110 km entfernt; Kleinbus 300 R.) zur Ausstellung des Visums einfinden.

Reiseführer geben die Lage des Amtes [2013] noch mit „2. Stock des Außenministerium, Lagoba Ave 21“ an. Das stimmt nicht mehr, von dort kommen nur die Einladungen. Den Sichtvermerk erhält man als loses Blatt im EG des Vertreibungsministerium in der ul. Sacharova (9-12 und 13-17 Uhr; kurze Hosen unerwünscht, man versteht deutsch und englisch).

Der Zettel, der ein schönes Souvenir gegeben hätte, wird bei der "Ausreise" einbehalten. Vor Beantragung sollte man um die Ecke bei der Sperbank (Filiale Lagoba Ave, ggü. Nr. 37, grünes Schild) bereits die auf Dollarbasis zu Tageskurs umgerechnete Gebühr (10 US$) einzahlen. Das geht überraschend reibungslos. Ein freundliches Lächeln, die Frage „Visa?“ und „Olga“ wußte Bescheid.

Warnung: Rubel-Bargeld sollte man unbedingt noch in Zugdidi besorgen. An der Grenze gibt es keine Umtauschmöglichkeit (oder sonst irgenwelche Einrichtungen, wie z. B. Toiletten). Wer mit Lari zahlen will, dem nimmt man den doppelten Fahrpreis ab! Wer nicht am Morgen einreist muß in Gali umsteigen, weil kaum Kleinbussse durchfahren.
In Abchasien funktionieren mangels Anerkennung ausländische Kreditkarten ebensowenig wie Mobilfunkkarten. Wechselstuben (9-16/7 Uhr) sind sehr dünn gesät. Preise haben mitteleuropäisches Niveau, dafür erhält man hauptsächlich minderwertigen Schrott russischer Produktion oder überteuerte Importe aus der Türkei. Einen gewissen Aufschwung erwartete man von der Winterolympiade [2014] in Sochi, gegen die in Georgien gelegentlich demonstriert wird.

Abchasien (= Abkhazia) war zu Sowjetzeiten eine halbautonomer Teil der Sowjetrepublik Georgien. Tatsächlich gibt es einige kulturelle Unterschiede, die eine Autonomie rechtfertigen. Allerdings siedelten nach Eingliederung des Transkaukasus ins Zarenreich viele Georgier, Balten und Russen hier, so daß die einheimische Bevölkerung schon vor 1900 (Vgl. Die Landschaft Abchasien; Geographische Zeitschrift, 2. Jg., 6. H. (1896), S. 345-347.) nur 17% ausmachte.

Abchasien hatte 1989 bei der letzten Volkszählung 525.000 Einwohner (17% Abchasen, 46% Georgier), nach der ethnischen Säuberung schätzt man heute runde 180.000 Einwohner. 2–30000 georgische Vertriebene sollen, besonders in die Region von Gali (russ.: Gal), zurückgekehrt sein.

Ebenso wie für Süd-Ossetien (= Samachablo; wo die behauptete „kulturelle Eigenständigkeit“ noch mehr konstruiert ist) handelt es sich im wesentlichen um russische Provinzen, für die sich der Kreml eine lokale Regierung hält. Dort stammt auch gleich ein Großteil des Budgets aus Rußland, ebenso wie die Beamtenschaft. Bezahlt wird mit russischem Rubel, die Einwohner erhalten seit 2000 russische Päße, (Zur Paßsituation aus pro-russischer Sicht: Mühlfried, Florian; Citizenship at war: Passports and nationality in the 2008 Russian-Georgian conflict; Anthropology Today, Vol. 26 (2010), No. 2) haben auch Anspruch auf russische Sozialleistungen (was sonst nur für Inhaber eines registrierten „Inlandspasses“ möglich ist). Das am besten gepflegte Amtsgebäude ist das der russischen Gesandtschaft. Putin-Bilder sind im öffentlichen Raum nicht so groß und zahlreich wie die des verstorbenen ersten „Präsidenten” Wladislaw Ardsinba, aber doch augenfällig.

Inguri-Brücke
Das Visum gibt es als Einlegeblatt, das an der Grenze bei Ausreise einbehalten wird.

Diplomatisch anerkannt ist das „Land“ u. a. von der Pazifikinsel Nauru (21,3 km²), einer ehemaligen deutschen Kolonie, die vor einigen Jahren – nachdem ihre einzige Exportquelle, die Phosphatlager erschöpft waren – so pleite war, daß es wochenlang vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten war, weil die Telekommunikationsgesellschaften wegen unbezahlter Rechnungen die Leitungen kappten. Rußland war die Unterstüzung (Ähnlich hatte Nauru sich von der VR China 2002 bezahlen lassen, um dann 2005 wieder zur Anerkennung Taiwans zu wechseln.) 50 Mio. US$ wert.
Der Inselstaat Vanuatu (2009: 234000 Einw.) schloß bei der erkauften Anerkennung 2011 gleich noch ein Abkommen zur visafreien Einreise. Es wäre interessant zu erfahren, wieviele Besucher das jährlich ausnützten. Seit Mai 2013 hat man die Seiten gewechselt und erkennt Georgiens diplomatisch an, behält aber seit 2015 auch Beziehungen zu Abchasien aufrecht..

Chefchen 1 Chefchen 2 Chefchen 3 Zentralbank Inter Haus des Sowjets Promenade 1 Promenade 2 Bot. Garten Bhf. Strammer Bursche

Ich habe mich bei der Reisevorbereitung stark vom [leider nicht mehr online verfügbaren] Blog Daniel Hamiltons leiten lassen.
Meine Erfahrungen widersprechen beiden seinen Darstellungen. Zum einen war die Behandlung and der Grenze penibel, aber korrekt (und nicht zu vergleichen mit der Abfertigung in die Ostzone prä-1989), zum zweiten fand ich keine übermäßig interessanten Sehenswürdigkeiten, noch empfand ich die Einheimischen als übermäßig freundlich. Ein nicht-russisch sprechender Ausländer wird behandelt, als ob er ein kleines grünes Männchen ist. Die Beschilderung ist ausschließlich kyrillisch (zweisprachig abchasisch/russisch), Informationsmaterial, abgesehen von russischen Karten in den wenigen Buchläden, sind nicht verfügbar.

Nun beschränkt sich mein Russisch auf nützliche Ausdrücke wie: „Stoy!“ (Halt!),„njet“ (Nein), „Dawai, dawai!“ (zack, zack!), „towarisch“ (Genosse), „nastarowje!“ und „Ruke werch!“ (Hände hoch) (Sehr schön hat es Gerhard Polt formuliert: „Man hat mit dem Russen ja früher weniger geredet, man hat ihn ja mehr erschossen.“) was, besonders in letzerem Falle, heutzutage nicht allzu weit hilft. [Inzwischen habe ich noch ein paar nützliche russische Worte gelernt: шлагбаум = Schlagbaum, проблема = Problema, картофель = Kartoffel und „sto gramm“ – das heißt 100 Gramm, nämlich Wodka.]

Unterkunft: Abgestiegen bin ich im Hotel Inter-Suchumi, mit 1400 R. fürs Einzelzimmer (1900 Doppel) ein anständiges Mittelklassehotel. An der Lagoba Ave. und der Seepromenade gut gelegen ist es auch bei Moskitos beliebt. Wohl die einzige Unterkunft, die für nicht russisch Sprechende schnell auffindbar ist. Etwa 300 m entfernt liegt der städtische Hauptmarkt mit zentraler Bus-Umsteigestelle. Zur Promenade gelangt man durch den rückwärtigen Ausgang. Voller Russen, spricht man keine Fremdsprachen an der Rezeption. Typisch die Restaurantöffnungszeiten: Frühstück 8-10, Mittag 12-14, Abend 18-20, ansonsten „nitschewo.“

Sehenswürdigkeiten (?): Suchumi selbst hat abgesehen von der vergammelten Seepromenade mit dem aus groben Kieseln bestehenden „Strand“ nur den botanischen Garten zu bieten. Der ist gepflegt – man wird allerdings mit 150 R. (4 €) auch kräftig zur Kasse gebeten. Etwas dahinter befindet sich ein kleiner Affenzoo. Eine frühere Generation der Insassen durfte für den Fortschritt der glorreichen Sowjetunion den Kosmos erobern (Eintritt 140 R.). ansonsten kann man sich noch einstürzende Altbauten ansehen. Das Postamt, auf der Karte verzeichnet, ist eine ausgebrannte Ruine und das nicht erst seit 14 Tagen – nirgendwo ein Hinweis, das es einen Postdienst gibt.

Außer Suchumi empfiehlt man Besuchern noch Novy Afnon, mit einer Tropfsteinhöhle, die mittels Schmalspurbahn durchfahren wird und Stalins Datscha. Es erscheint sinnvoll, eine der russischsprachigen Tagestouren (800-1300 R.) zu buchen.

Nachtleben existiert keines, außer man bucht als geschlossene Gesellschaft ein Restaurant; der Ort klappt mit Sonnenuntergang – abgesehen von Wodka-Buden – die Bürgersteige hoch. Zugegbenermaßen war der für 20 R. erhältliche türkische Kaffee im Kiosk am Strand gut.
Es ist schwer zu glauben, daß dieser Ort einmal das "paradiesische" Traumziel der meisten sowjetischen Werktätigen gewesen sein soll (das läßt andrerseits natürlich Rückschlüsse auf die Zustände dort zu).

Vom etwas auswärts gelegenen Bahnhof fahren auch die Marschurtkas zur Grenze (fahrplanmäßig nur drei täglich). Sofern man wegen Überfüllung nicht mitkommt, nach Gal fahren (stündlich) vom dortigen „Busbahnhof“ fliehe man schleunigst per Taxi zur Grenze (350-400 R.)

Ikea
Eigentlich wollte ich noch ein Billy-Regal mit nach Hause nehmen, aber die waren in dieser Filiale (in Suchumi) gerade nicht vorrätig. Da konnte man mich dann schwedisch fluchen hören, was dort aber wie erwähnt eh keiner versteht.

Fazit Abchasien: wer einen gewissen masochistischen Trieb hat Orte zu sehen an die kein geistig Gesunder hinfährt sollte es sich antun … (Interessant waren jedoch die Reaktionen der Georgier, wenn ich erwähnte in Suchumi gewesen zu sein, sie reichten von Begeisterung über den „Mut“ die Reise zu wagen, bis zu Interesse ob der Zustände – besonders der aus der Region Vertriebenen.)

Kutaisi

Wieder in Georgien stand gleich ein Kleinbus abfahrtbereit, so daß ich mir den Weg zurück nach Zugdidi und zum Nachtzug sparen konnte.
Marshurtkas nach Kutaissi (sprich: Kutáischi) – das ist die zweitgrößte Stadt Georgiens und Hauptstadt der Region Imeretien – fahren alle zur Busstation am Bahnhof „Kutaissi 2„ etwa fünf Kilometer von der Innenstadt. Ein beim Mittagessen gestörter Taxifahrer sollte mich ins Kutaissi Hostel in der Salomon St. fahren, wußte aber nicht was gemeint war. Ein Kollege gab ihm einen Tip. Abgesetzt wurde ich (für günstige ₾ ) stattdessen bei der "Pension Suliko," betrieben von einem Rentner-Ehepaar, Suliko und Medico. Dies war ein Fehler des Taxlers, der sich als Glückstreffer erwies. Offiziell nimmt man ₾ 15 für die Übernachtung, ₾ 30 mit Halbpension. Nun ist es schlicht unmöglich dort nicht zu essen. Suliko ist eine begnadete Köchin und Medico sorgt für das berüchtigte „georgische Willkommen“ in Form von sehr viel Flüssigem, nämlich hausgemachtem Wein und chacha aus Kuhhörnern. Getrunken wird prinzipiell auf Ex („Gaumarchos“), das leere Horn auf den Daumennagel geklopft und der letzte Tropfen dann abgeschleckt. Es folgte eine Tour in den Keller, wo Medico mehrere große blaue Plastiktonnen mit Wein aus den hauseigenen Trauben (vergoren mit der Maische, was für den charakteristischen Geschmack sorgt) angesetzt hat. Sagen wir mal so, ich habe zwar noch eine Spaziergang durch die Stadt gemacht, war aber – nachdem ich um halb acht ins Bettt bin – auch am nächsten Morgen in keinem Zustand mit dem einzigen anderen Gast, einem Japaner, auch nur ein Wort zu wechseln. Als ich dann morgens zum Sightseeing aufbrach, mußte ich an Medico vorbei, der mir eine weitere Weinprobe und vier noch grüne aber schmackhafte Mandarinen vom Baum aufnötigte.

Das örtliche historische Museum in der Innenstadt (₾ 3) ist klein und mager beschildert (z. B. „Textilien,“ „Töpfe“). Kleinere Einsichten zur Lokalgeschichte erhält man trotzdem. Die städtische Personalkantine war im Hinterzimmer. Im oberen Ausstellungsraum, wohl ehemals der Ballsaal, saßen drei Wärterinnen. Die etwa 7jährige Tochter einer derselben nutzte einige Exponate als Spielzeug.

In der weiteren Umgebung gibt es einige sehr sehenswerte Klosteranlagen wie Gelati, Motsameta u.ä. Diese sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln schwer zugänglich. Eine der günstigen Tagestouren (um ₾ 40) scheint ein sinnvolles Angebot.

Auf einem die Stadt überblickenden Hügel befindet sich die wieder aufgebaute Bregata-Kathedrale, die aus dem 11. Jhdt. stammt. Man hat aber schon auf das vierte Jhdt. datierbare Fundamente gefunden. Die Kirche wurde im frühen 18. Jahrhundert von muselmanischen Horden gesprengt. Über die letzten hundert Jahre (auch während der „bösen, bösen“ Stalin-Ära) hat man aus den Trümmern die Kirche archäologisch sauber wieder aufgebaut. Dabei wird durch das Design deutlich, welche Originalsteine verwendet wurden. Die Neugestaltung des Innenraumes ist fast abgeschlossen. Im Vorhof lauert ein bärtiger mit georgischer Mütze bekleideter Chorsänger auf Touristen und versucht ihnen CDs oder Karten seines traditionellen Tsinandali-Chores aufzuschwatzen.

Kathedrale Blick Rioni Dach Golden Fleece Park Sitze Stein Mosaik Spinat

Als weitere Gäste in der Unterkunft kamen am nächsten Abend ein etwa 60jähriger polnischer Journalist, der sich als übler Angeber erwies (seiner Meinung haben „die Polen“ nicht nur die Computer erfunden – Steve Wozniak war polisch-stämmig, sondern er und ein paar Kumpane haben die DDR zum Auseinanderbrechen gebracht, weil sie Flugplätter geschmuggelt haben wollen.) Dazu kam dann noch ein polnisches Ehepaar, die sehr mutig mit zwei kleinen Kinder (3 J. und 14 Mon.) reisten.
Am zweiten Abend kam ich mir vor wie Peppone in „Genosse Don Camillo“ (ab 1h:07m:40s). Suliko schaufelte den Tisch wieder mit nicht kalorienarmen Köstlichkeiten voll. Nun hatte ich den jungen Polen zum Mithalten (seine Frau verdrehte schon früh die Augen und brachte die Kinder ins Bett). Unser Gastgeber Medico schwächelte allerdings etwas, d. h. beim dritten Stierhorn schenkte er sich deutlich weniger ein als uns Dreien. Dummerweise fiel das auf und er wurde zum Nachschenken aufgefordert. (Mir fiel die Szene aus Adenauers Memoiren ein, als Chrustschow beim Festbankett während der Verhandlungen zur Freilassung der verbliebenen Kriegsgefangenen sich nur Wasser statt Wodka einschenken ließ, was Adenauer beim Einhaken roch und zur Bemerkung veranlaßte: "Herr Vorsitzender, sie betrügen, ich hoffe nur hier.") Nach dem zweiten Mal Erwischen ließ Medico dann nach, wodurch wir alle drei, auch zur Freude seiner mißbilligend schauenden Suliko noch halbwegs stehend ins Bett kamen.

Um ehrlich zu sein, ich bin am dritten Tag geflohen. Ich bin wirklich niemand, der nicht gerne mal eine Schlückchen oder zwei trinkt, aber die Einsicht, daß es nicht schaden könne mal wieder unter zwei Promille zu kommen hat mich einen Tag verfrüht abreisen lassen. Als Abschiedsgeschenk gab es ein kleines Stierhorn (genannt „kantsi“).

Vom zentralen Bahnhof Kutaissi 1, ging’s Mittag nach Gori weiter. Bei Fernzügen muß am Schalter der Paß vorgelegt werden, dieser wird beim einsteigen in den Waggon von einem Schaffner kontrolliert, von denen es nach gutem, altem Sowjetbrauch je zwei pro Waggon gibt. „Raucherabteile“ sind die Türbereiche, aber so genau interessiert das wirklich niemand. Die Toiletten, die nach einer gewissen Fahrzeit durchaus Ähnlichkeit mit ihren Verwandten in Indien bekommen, werden immer wenn der Zug steht, abgesperrt. Die knapp sechstündige Fahrt nach Gori (₾ 10 Lari) über ca. 240 km dauert nicht deshalb so lange, weil die Züge langsam wären, sondern weil auf einigen Stationen fahrplanmäßige Halte von 30-45 Minuten anstehen. Auch die Wagentüre wird vom Schaffner von Hand geöffnet.
Für Bahnfans dazu: 📼 Kaukasisches Bahnabenteuer (29 min).

Gori

Stalinkopf
Etwas Stimmungsmusik (3 min. 17s.)

Nach Georgien zu fahren, ohne die Geburtsstätte des „Vaters der Völker“ besucht zu haben, ist wie nach Indien zu reisen und das Taj Mahal nicht gesehen zu haben. Stalin, geboren als Josef Dschugaschvili, war der bedeutendste Georgier, der je gelebt hat und die fünftwichtigste Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts, nach: 1) dem GRÖFAZ, 2) dem „großen Führer“ Kim Il-sung, 3) dem „großen Steuermann“ 兩位好舵手,同禦一條船
Great Helmsman
Mao Tse-tung und 4) dem “großen Vorsitzenden” Franz Josef Strauß. [Diese Bemerkung hätte bis 1953 vermutlich für lockere 25 Jahre in der Workuta gereicht.] Nun wissen wir ja: das vom verdienten Genossen, mit seinem Mit-Georgier Lawrenti Beria, geschaffene Paradies der Werktätigen war ein Leuchtturm in der Finsternis von wo aus es strahlte: Friede, Freiheit und Gleichheit.

In seiner Heimatstadt gedenkt man dem Generalissimus in angemessener Weise: Die Hauptachse des Ortes bildet die Stalinallee, an deren Kopfende das ihm gewidmete Museum von 1957, ein Bau im „Zuckerbäckerstil,“ steht.
Das Museum ist das teuerste ganz Georgiens. Man nimmt ₾ 10 Eintritt (auf Wunsch kostenlose Führungen), Waggon und Geburtshaus kosten nochmal ₾ 5 extra. Dafür ist es eines der wenigen Museen in denen man mit Blitz photographieren darf. Wenn man nett fragte, gestattete die Wärterin auch, daß man hinter SEINEM Schreibtisch Platz nimmt. Im Museumsshop verkauft eine im Stil der Zeit uniformierte Genossin Devotionalien. Vor dem Museum lauern Taxifahrer, die versuchen Touristen eine überteuerte Tour zur nahen, sehenswerten neolithischen Höhlenstadt Uplistsikhe auf Auge zu drücken. Statt der angemessenen ₾ 10, wollen die Herren schon mal ₾ 40 – von ihren indischen Kollegen müssen sie hinsichtlich Aufdringlichkeit noch einiges lernen.

Stalin-Wandteppich Eisenbahnwaggon Geburtshaus Klo Verklärungskirche Verklärungskirche Bürgerzentrum Burg Kriegerdenkmal

Unterkunft: Zwei Tage Aufenthalt sind genug, die Auswahl an Unterkünften ist bescheiden. Darunter jedoch ein „echtes Juwel,“ nämlich direkt beim Museum ein Intourist-Hotel (für Ausländer ab ₾ 50; Stalinallee Nr. 26). Service und Ausstattung sollen sich seit damals nicht geändert haben …

Stalin vorm Museum
Unter Seinem wachsamen Blick nahm ich meinen Abschied von der ehrwürdigen Stätte.

Abgestigen bin ich jedoch in der Privatunterkunft Luka (₾ 25; 19 Aghmashenebeli St. kein Schild, Eingang unter dem Balkon). Der erste Eindruck war ordentlich. Ich erhielt eine ganze Ferienwohnung (für bis zu 6) für mich alleine. Mutter und 12jähriges Töchterchen sprachen hinreichend Englisch, kassiert wurde bar und ohne Quittiung für zwei Nächte im voraus. Die erste Enttäuschung war das Bad: das Klo war mit dem Eimer zu spülen. Am Abend des zweiten Tages wurde ich dann zum ersten und einzigen Mal in Georgien beschissen. Töchterchen behauptete, ich hätte nur eine Nacht bezahlt und wollte nochmal ₾ 25. Nach einigem Diskutieren auch mit Mama und telephonisch mit einer gut englsichsprechenden Bekannten habe ich dann mangels Beleg nachgegeben und am nächsten Morgen geschaut, daß ich schnell aus dem Laden verschwand.

Weiter gings über eine autobahnähnlich ausgebaute Schnellstraße per Marshrutka in knapp zwei Stunden in die Hauptstadt.

Tblisi

Tiflis (Tbilisi), erstreckt sich über zwanzig Kilometer entlang des Tales des Kura. Mit etwa 1,3 Mio. Einwohnern ist es Heimat von gut einem Drittel der Georgier und unterscheidet sich in ihrer Hektik und dem unmäßigen Autoverkehr gewaltig vom Rest des Landes. Auch sind die Preise deutlich höher. Preisgünstige Unterkünfte (₾ 15-25) gibt es in der Innenstadt zu Hauf. Einfach zur Metro „Liberty Square“ oder „Rustaveli Ave.“ und die aufgehängten Zettel ansehen. Dabei handelt es sich um Familienbetriebe mit um-/ausgebauten Altbauwohnungen, die allerdings in der Qualität gewaltig schwanken.

Tiflis Präsidentenpalast
Blick auf den neuen Präsidentenpalast in Tiflis.

Aus eigener Erfahrung rate ich ab von „Maria Guesthouse & Tours,“ Liberty Sq. 4 (₾ 25, laut, Überwachungskamera direkt auf die Betten gerichtet) und empfehle aufs herzlichste „Fox Hostel“ [Stand 2019 beide geschlossen]. Das Fremdenverkehrsamt ist ein kleiner Schalter im Eingangsbereich des Nationalmuseums gegenüber dem Ausgang der Metro-Station “Liberty Sq.” Außer einer dünnen Broschüre mit Stadtplan gibt es nichts. Das Museum selbst wirbt u.a. mit einer Dauerausstellung zur „sowjetischen Besatzung.” Offensichtlich wurde dies schon am Eingang: Drei Schalter, zwei mit Damen besetzt, verwiesen mich an den dritten unbesetzten. Nach knapp zehn Minuten Warterei – es gab keinen Grund warum die beiden Damen an identisch ausgestattetetn Arbeitsplätzen keine Karten verkaufen hätten können – hatte ich von sowjetischer Arbeitsmoral genug, habe die saubere Toilette inspiziert und das Museum verlassen.

Zur Benützung der Metro (zwei Linien) kauft man eine aufladbare Chipkarte, die auch in den gelben städtischen Bussen gilt. Der Einheitsfahrpreis beträgt ₾ 0,50, mit Umsteige- bzw. Rückfahrberechtigung innerhalb einer Stunde. Die aus Sowjetzeiten stammende U-Bahn liegt vergleichbar tief unter der Erde und ist bei Bedarf als Atombunker nutzbar. Die Rolltreppen laufen sehr schnell, unten sitzen noch immer die aus Moskau bekannten Wächter (inzwischen unbewaffnet).

Über der Stadt throhnt die Ruine der Burg Narikala. Diese erreicht man per Seilbahn vom Fluß (benutzbar mit der Chipkarte). Auf dem selben Bergrücken noch die Statue der „Mutter Georgien“ (die aus der Ferne deutlich besser aussieht) und im Tal dahinter der botanische Garten (1 L.). Dort hat man zwar ein großes neues Verwaltungsgebäude hingestellt, der Garten ist jedoch ohne wissenschaftliche Beschilderung ziemlich verwildert und in den höheren Lagen vollkommen ungepflegt.

Zu Fuß gelangt man den Bach entlang zu einer türkischen Moschee und den Schwefelbädern mit ihren Kuppeln im osmanischen Stil. Man bucht einen Pool für bis zu vier Personen, je nach Ausstattung kostet eine Stunde zwischen ₾ 1,50 L. im vergammelten städtischen Badehaus und ₾ 50 im Royal.

Den Bezirk “Old Tiflis” zwischen Liberty Sq. (Freiheitsplatz) und Fluß hat man für Touristen saniert. Nichts als sterile, überteuerte Cafés und Ramschläden, die mit ihrem Angebot ebensogut in Miami Beach oder Rimini stehen könnten.

Zigeunerkind
Daß nicht alles zum Besten steht in Georgien zeigt dieses Zigeunerbaby, das man bei knapp 10 Grad zum Betteln und Schreien mitten auf die Hauptstraße gesetzt hat. Das Kind war an diesem Tag stundenlang – und auch als ich am Samstag darauf wieder vorbeikam – ohne jede irgendwo erkennbare (versteckte) Aufsicht alleine und plärrte sich die Seele aus dem Leib. (Bevor mir jetzt irgenjemand eine böse Bemerkung ob des politisch inkorrekten Z-Wortes ins Gästebuch drücken will – diese ganze herzlose Sippe, die das veranstaltet gehört weggeräumt! Punkt um und Ende der Debatte!)

Kunst: In vielen Parks findet man gelungenen Statuen und Bronzen (abgesehen von den üblichen Denkmälern für Dichter, Feldherren, verdiente Werktätige usw.)
Auffallend dabei ist, daß keines der Kunstwerke irgendwie verunstaltet oder verschmiert ist, wie dies bei uns "Graffitikünstler" glauben tun zu müssen. Außerhalb der Hauptststadt sieht man eigentlich gar keine Schmierereien.

U-Bahn Auto Kunst 1 Rustaweli Rike-Park Kura Mutter Nacht Damenbinde Kote Afkhazi St Statuette Paß auf

Ein Bummel über den großen Flohmarkt an der “Dry Bridge,” der etwa zur Hälfte auf Touristen ausgerichtet ist, hätte, wenn ich Platz im Gepäck gehabt, etliches Schönes an Bildern und Holzarbeiten sowie Sowjet-Paraphernalia zum kaufen geboten. An einem Stand gab es originale Polizeisäbel – praktisch, aber etwas zu lang für den Check-in im Rucksack.

Nach Eriwan: unabhängig voneinander sagten zwei Georgier zu mir: „Was willst Du denn da?“ (ganz Unrecht hatten sie nicht) – wollte ich dann mit dem jeden ungeraden Kalendertag fahrenden Nachtzug. Im Einkaufzentrum, das nebenbei als Hauptbahnhof fungiert hieß es dann eine Fahrkarte beschaffen.

Zugschild

Die dritte Klasse Liegewagen kostet um ₾ 34 (ca. 15 €; fluktuiert nach Dollar-Wechselkurs (Muß heißen Schweizer-Franken-Wechselkurs, da dies die Rechnungswährung zwischen den Bahngesellschaften des ehemaligen Ostblocks ist. Das basiert auf multinationalen Abkommen der „Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen“ russisch Организация Сотрудничества Железных Дорог kurz ОСЖД)), erste Klasse im 2er-Abteil das Doppelte. Das Problem war, daß der Name des Passagiers zwingend in kyrillischer Schrift eingetragen werden muß und die einzige enlischprachige Dame Pause hatte, so daß der Kartenkauf gute 20 Minute dauerte und eine etwas verwirrte, aber ungemein freundliche Verkäuferin zurückließ. Dabei gibt es auch in der 3. Klasse gratis Matratzen, Decken und Bettwäsche -- insgesamt deutlich ordentlicher als der Service der Bundesbahn. Der alte, aber gepflegte Waggon war nur mit wenigen Fahrgästen belegt, ansonsten mit Kisten voller Zitronen und Ingwer vollgestopft, die eine Frau im Rahmen individueller Geschäftstätigkeit exportierte. Ich nehme an, die Abfertigung mit dem armenischen Zoll wurde durch kleine bunte bedruckte Papierchen erleichtert. Unter mir im Abteil ein lebenfroher, beleibter Einheimischer, der wie etwa ein Fünftel aller georgischen Männer Giorgi hieß, zauberte bald ein Fläschchen Picnic-Wodka hervor und ein Armenier mit größerem Biervorrat, welcher das Ende der Fahrt auch nicht erlebte.

Fahrkarten
Georgische bzw. armenische Bahnfahrkarte.

Auf der Querpritsche – das Arrangement auf der Breitspurstrecke ist wie in Indien: vier Pritschen als „Abteil,“ zwei ggü. quer am Fenster, dazwischen der Gang – schlief diensteifrig ein jüngerer Schaffner, ein spindeldürres mürrisches Männchen, der immer wieder die Augen verdrehte als wir – das Bier tat seine Wirkung – das Aufsperren der Toilette verlangten. Von seinem im Dienst ergrauten Kollegen sah man eigentlich nichts, man roch ihn aber, da er das Rauchverbot in seinem Waggon permanent ignorierend, an einer Kippe saugend in seinem Kabuff saß. Die Grenz- und Zollkontrollen waren korrekt und problemlos.

Armenien

Eriwan am Sonntag

Hengst
Denkmal vor dem Bahnhof Eriwan. Wenn man dem Hengst zwischen die Beine schaut stellt man fest, daß es anantomisch sehr korrekt ist.

Auf dem Bahnsteig in Tiflis hatte ich noch zwei Deutsche gesehen, K. einen in Frankfurt arbeitenden, in Unterfranken wohnenden Bürohengst Mitte 50, der nett, aber ein bißchen hektisch (auf seinen ersten Herzinfarkt wird er nicht mehr lange warten müssen), den Kaukasus in drei Wochen durcheilte. Er hatte 1. Klasse gebucht. Dazu kam noch R. aus Thüringen, Student, der auf einer längeren Reise bevorzugt kalte Länder besucht und Berge besteigt. Er will diesen Winter in Nord-Finnland verbringen.

Man merkt in Eriwan sofort, daß Armenien deutlich wohlhabender ist als Georgien. Besonders die Häuser sind in besserem Zustand, man muß nirgendwo Angst haben einen herabfallenden Brocken auf den Kopf zu bekommen. Auffallend in der Innenstadt die zahlreichen teuren Boutiquen. In den Geschäften gibt es deutlich mehr russische Ware als in Georgien, was besonders bei den Wodkaregalen (½ Liter ab ca. 1,80 €), die gewaltige Ausmaße annehmen, auffällt. Dort auch einige sehr interessante Marken wie Putinka, erhältlich zum für Oligarchen erschwinglichen Preis oder Kalaschnikow – da weiß man am nächsten Morgen wenigstens warum man Kopfschmerzen hat 😋. In der Innenstadt sind sämtliche Straßenschilder auch lateinisch beschriftet. Armenier sind deutlich reservierter als die Georgier. Auch die Nasenform unterscheidet sich deutlich. In Georgien herrscht das „klassische Profil“ vor, Armenier sind eher vom abgeplatteten „semitischen“ Typ. Der klassische Kurzhaarschnitt mit korrektem Seitenscheitel ist noch sehr in Mode.
Englisch- und auch Deutschkenntnisse sind weiter verbreitet als in Georgien.

Gar nicht selten sieht man Autos mit syrischem oder iranischem Kennzeichen – ein Wagen hatte sogar ein Nummernschild des Golfemirates Shajrah.
In der Innenstadt gibt es die „blaue Moschee“ von einem persischen Statthalter im 18. Jahrhundert errichtet, wurde sie in den 1990ern auf Kosten des Iran renoviert. Ich fand schon den Innenhof (des an sich schönen Baues) mit den darin herumlaufenden verschleierten Frauen bedrückend.

Ararat
Richtig gelohnt hat sich der Aufstieg auf die Kaskade, wenn man mit diesen Blick auf den Ararat belohnt wird. Der Ararat liegt überings nicht in Armenien – obwohl man ihn dort als das Nationalheiligtum betrachtet – sondern fast 40 km auf türkischem Gebiet in einem militärischen Sicherheitsbereich. In Eigenregie Besteigen, auch wenn man seine Arche selber mitbringt, ist nicht möglich.

In Eriwan, Sonntag früh um halb sieben ergab sich zunächst das Problem Geld zu wechseln. Es fand sich schließlich eine offene Wechselstube. K., der ein Zimmer gebucht hatte, war mit einem Reiseführer bewaffnet (zum Glück nicht LP!) und schritt nun forsch voran, unser Grüppchen durch die ruhige Innenstadt leitend. Ich checkte ebenfalls in das gepflegte Envoy-Hostel (52 Pushkin Av.; «Էնվոյ» հոսթել), allerdings in den Schlafsaal. Der war zwar fensterlos, aber dafür gab es zu jedem Bett ein „Neues Testament“ – Hallelujah! Ein kleines Frühstück war im Preis dabei, sehr untypisch für die Region verlangte man aber Geld für die Benutzung der Waschmaschine, noch dazu satte 5 €, wofür man in Eriwan zwei Abendessen samt Bier bekommt. Wir verabredeten uns mit R., der anderswo gebucht hatte, für den nächsten Morgen 10 Uhr an der Botschaft von Nagorno-Karabach, um das Visum zu beantragen.

Auch in Eriwan ist Sonntag Flohmarkt, hier eher auf den lokalen Bedarf ausgerichtet. [Beim nächsten Besuch 2021 touristisch aufgehübscht als „Vernissage“ mit festen Buden – viel Kitsch, außer Büchern nichts Altes mehr.] Eine Ecke mit Gebrauchtkleidung, eine andere mit Hundewelpen, dazu ein reiches Angebot an Büchern, Porzellan, Sowjet-Paraphernalia und Kunsthandwerk, besonders schöne Holz-Einlegearbeiten. Gekauft habe ich zwei Geldscheine der „Alliierten Militärbehörde“ für Deutschland ausgegeben 1944. Radio Eriwan gehört habe ich während meines Aufenthalts nicht – es wurden daher auch keine Fragen beantwortet.

Montag in Eriwan

„Mein Führer“ K., marschierte mich dann, mit seinem Kampfbuch in der Hand, Montag früh entlang viel befahrener Hauptstraßen, den Berg die „Kaskade“ hinauf. Auf Wikipedia beschreibt man das so: „Die Kaskade ist 118 Meter hoch und 50 Meter breit. Bei einem Steigungswinkel von 15 Grad beträgt die Distanz vom Fuß bis zur Spitze der Anlage 302 Meter. Außen verfügt die Kaskade über fünf Plattformen mit Hallen für Ausstellungen. Erschlossen werden sie außen über 572 Stufen. Im Inneren der Kaskade, unterhalb der Außentreppe, befinden sich sieben nicht funktionierende Rolltreppen, die sich über die gesamte Länge der Anlage erheben. Es gibt auch Ausstellungshallen, die mit einigen der Podeste entlang der Rolltreppen verbunden sind, die das Cafesjian Museum of Art bilden.“ Insgesamt brauchten wir, mit zahlreichen Photostops und einmal verlaufen, gut 1½ Stunden bis zur Gesandtschaft. Zwischendurch stifteten wir mit unseren Postkartenstapeln in einem Vororts-Postamt reichlich Verwirrung. Eine der netten Damen probierte dann ihr gutes Deutsch an uns aus.

Mami Papi Zentralplatz Branntweinfabrik Kunst „Kaskade“ 50jährige Löwe „Kaskadensport

Einen Hügel weiter hat man ebenfalls einen schönen Blick über die Stadt. Er ist gekrönt von einem Denkmal der „Mutter Armeniens“ – einem umgewidmetem Stalin-Denkmal.

Die Metro in Eriwan stammt aus den 80ern und umfaßt nur eine Linie. Die Ausstattung folgt dem sowjetischen Standard. bezahlt wird jede fahrt mittels orangener Plastichips, die pro Stück 100 Dr. (ca. 0,18 €) kosten.

Visum Karabach
Visum für Karabach.

Visum für Karabach. Nagorno-Karabach (deutsch: Berg-Karabach) ist noch so ein Land, das es nicht gibt. Zu Sowjetzeiten eine Exklave Armeniens in Azerbaidschan kam es 1993 zu Krieg und Vertreibung. Der Landstreifen dazwischen wurde ebenfalls armenisch besetzt und man rief seine eigene Republik aus.

Auch R. hatte sich verlaufen, so daß wir uns kurz nach 11 Uhr trafen und die Anträge (1 Paßphoto) stellten. Die Gebühr von 3000 Dr. kann nun direkt bezahlt werden, nicht wie in Reiseführern geschildert per Einzahlung auf ein Bankkonto. Die früher verlangten Eilzuschläge sind weggefallen. Ob wie nach der azerbaidschanischen Wiedereroberung im Herbst 2020 die Reise dorthin möglich ist, kann im Frühjahr 2021 nicht gesagt werden.

Abzuholen waren unsere Sichtvermerke nach der Mittagspause um 2 Uhr. Insgesamt ein problemloses Verfahren. Wer eines Tages mit demselben Paß nach Azerbaidschan will, kann sich den Sichtvermerk auf ein separates Blatt geben lassen, denn mit einem Stempel von Karabach darf man dort nicht einreisen. Mit dem Visum erhält man eine Anmeldebestätigung auf der die zu bereisenden Regionen aufgeführt sind, sinnigerweise mit dem Hinweis „mit Ausnahme der Frontlinie.“

Kreuz
Kirche Kirche
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Die drei Stunden Wartezeit überbrückten wir in einem „MacGyros“ und mit einem Bummel über einen Bauernmarkt. K., in seiner ganzen Sensibilität als deutscher Tourist, hielt ohne Zögern jedem Standbesitzer ungefragt seine Digitalkamera unter die Nase, was den Rinderinnereienverkäufer zu einer Tirade erregte, die auch ohne Armenischkenntnisse deutlich war. R. und ich marschierten ohne Umzuschauen davon, halb in der Erwartung, daß der Händler K. mit dem Hackebeil verfolgen würde. In der Markthalle mehrere Stände getrockneter und glasierter Früchte. Von einer Frau deren Sohn in Trier lebt, kaufte ich mit Honig glasierte Feigen, gekrönt von einer Walnuß – absolut göttlich. Am nächsten Tag habe ich mir noch ein Zehnerpack geholt.

Abfahrt der Busse nach Stepanakert (Hauptort von Karabach) ist am frühen Morgen. Im Nachhinein muß ich sagen, daß, alleine schon wegen der schlechten Verkehrsverbindungen, eine angebotene Drei-Tagestour (Hyer-Reisen, ca. 145 €) mit gutem Hotel für Karabach die Sehenswürdigkeiten besser abgedeckt hätte.

Kirchen und Klöster

Zum Pflichtprogramm einer Armenienreise gehört auch der Besuch der Kirchen in Echmiadzin (offiziell Vagharshapat seit 1992), Garni und Artashat.
Eigentlich bin ich kein Freund von Touren, aber wegen der schlechten Verkehrsanbindung, dieser gar nicht weit von der Hauptstadt gelegenen Orte erscheinen Tagesausflüge durchaus sinnvoll.

Völkermord

Mahnmal
Mahnmal für die, je nach Schätzung 300000 bis 1½ Mio., Opfer des 1915-7 ganz ohne Gaskammern höchst effizient durch die türkischen Ordnungskräfte ermordeten Armenier, die weite Teile Kleinasiens besiedelt hatten.

Dienstag stand dann der Besuch des Völkermordmuseums (der Türken an den Armeniern) auf dem Programm. Auf einem weiteren Hügel gelegen besteht es aus einer moderaten aber geschmackvolen Gedenkstätte mit einem Museum, das bis 2014 erweitert wird. Gelegen in einem weitläufigen Park, den man mit getragener Musik beschallt.

Rückflug

Am Bahnsteig in Eriwan kontrollierte bei der Rückfahrt wieder derselbe mürrische Schaffner die Fahrkarten, jedoch freundlich lächelnd als er mich wieder erkannte. Dann kam es zu einem dieser Zufälle, die individuelles Reisen zum Erlebnis machen: G., der Bekannte von der Herfahrt erscheint ebenfalls am Bahnsteig – nach einer herzlichen Begrüßung stellt sich heraus, daß er wieder das Bett unter mir hat. Zusammen im Abteil dann noch die beiden jungen Ukrainer, die sich mit mir beim Fahrkartenkauf über den Karbolgeruch des Putzmittels „gefreut“ hatten und leidlich Englisch sprachen. Es wurde wieder ein extrem gemütlicher Abend. Der Schaffner versah seinen Dienst mit demselben Elan – schlafend – wie bekannt und entwickelte erst eine halbe Stunde vor Ankunft so etwas wie Bewegung, als er die Bettbezüge „dawai, dawai“ abliefern ließ.

In Tiflis habe ich dann noch zwei Tage verbummelt, ohne weitere Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Einfach das Lebensgefühl einsaugen war genug; wiederkommen werde ich auf jeden Fall!

Zurück ging es dann mit einem kurzfristig gebuchten Flug mit Pegasus vom schnuckligen Flughafen in Tiflis, der etwa 18 km außerhalb liegt und per städtischem Bus 37 erreichbar ist. Bei der Anfahrt zeigte sich wiederum das entspannte Verhältnis der Georgier gegenüber Massenmördern: Die Anfahrtsstraße heißt „George W. Bush Avenue.“ Check-in war zur unchristlichen Uhrzeit von 2:30 Uhr in der Früh. Auffallend dabei, daß trotzdem fast jeder Mitreisende von der ganzen Familie verabschiedet wurde, so daß die Schlange furchtbar lang wirkte.

Batumi
Mehr habe ich zu Georgien nicht zu sagen.

Fazit Georgien: Herzlich, wunderbar – selber Hinfahren! So begeistert von einem Reiseziel war ich bisher in über 25 Jahren nur zwei Mal, erstens in Südspanien vor dem Boom 1985/6 und Sydney mit seinem großartigen Hafen. M. fragte mich – den meisten Georgiern ist [war bis 2015] „Schengen-Land“ wegen der strengen Einreisebdingungen verschlossen – wo sie hinfahren sollte, wenn sie einen schönen Ort auf der Welt suchte. Ich konnte ihr nur von ganzem Herzen Georgien empfehlen!


Ergänzung: Eriwan November 2021

Die wildeste Corona-Panik während der Reisen unmöglich waren, weil weltweit die Staatsmacht der Illusion unterlag man könne Viren an Landesgrenzen aufhalten, war vorbei. Nun war es Zeit, um nach dem Hausarrest mein seelisches Gleichgewicht wieder herzustellen. Es bot sich die Möglichkeit für einen Trip nach Georgien, wo man schon wieder frei, d. h. ohne Maske, atmen Lauterbach: Der Terror geht weiter. durfte.

Holzbankklasse
Echte Holzbankklasse im Zug in Armenien. Immerhin funktionierte die Heizung in einem der Waggons

Die erste angenehm auffallende Änderung war, daß die armenische Bahngesellschaft, die die Züge zwischen den beiden Hauptstädten betreibt, moderne russische Waggons angeschafft hat. In den Liegewagen gibt es sogar Duschen. Eigentlich hatte ich mir als Ziel Gyumri ausgesucht, einfach „weil es da ist.“ Ankunft des Zugs um vier Uhr früh, regnerisch, um den Gefrierpunkt. Keine Chance auf ein Hotel. Nachdem ich Dram aus dem Automaten gezogen habe, läßt mich der Wachmann im großen Wartesaal bis Tagesanbruch sitzen. Mit Gepäck Marsch durch den Ort, der 1988 bei einem Erdbeben zerstört worden war. Absolut tote Hose. Zwischendurch hauts mich in eine schlammige Pfütze auf die Schnauze. Ich beschließe schleunigst wieder zurück zum Bahnhof den Bummelzug um Elf nach Eriwan zu nehmen (1000 Dr., 3½ Std.).

In Erwian nach kurzer U-Bahnfahrt Richtung Zentrum SIM-Karte gekauft, dann auf google maps das nächstgelegene Hostel gesucht. Das war nur 300 Meter weiter im Hinterhof das Infinity Hostel betrieben von einer Thai, die ob der unerwarteten Ankunft überrascht war. Es wurden zwei, von wasserklarer Flüssigkeit gestärkte Abende mit den anderen Gästen. Zum einen war da ein jordanisch-palästinensicher „Flüchtling,“ der einige Zeit für ein sozialwissenschaftliches Institut in Berlin Analysen geschrieben hat und unter anderem die Probleme in seiner Heimat richtig vorhergesagt hatte – im April 2021 kam es zur Verhaftung des Prinzen Hamzah bin al-Hussein, Halbbruder des Königs. Die genauen Hintergründe des Machtkampfes sind unklar. Der jordanisch-palästinensiche Flüchtling fühlte sich hierdurch bedroht und schien auch Probleme zu haben im Ausland vom Regime inene neuen Paß zu bekommen. Es folgte eine abendfüllende, intelligente Unterhaltung, die aus links-antizionistischer Sicht die Politik der Regierung der “zionist entity” dekonstruierte. Leider kam es, je später der Abend umso leerer die Flasche, zu einem Mißverständnis als dem Herren klar gemacht werden mußte, daß er gewisse Sachen in Deutschland nicht laut würde sagen dürfen, falls er wieder in Berlin tätig wäre. Mit an der Diskussion teilgenommen hatte ein Deutscher, der mit seiner Freundin am selben Tag für drei Wochen eingecheckt hatte. Die beiden, Mitte 30, waren wenige Wochen zuvor zusammen im ausgebauten Kleinbus auf „Weltreise“ gegangen. Im Süden Armeniens war ihnen ein PKW kräftig reingerauscht. Nun gab es nicht nur Probleme ihr Auto reparieren zu lassen, die versicherungs- und zollrechtlichen Fragen ließ sie einen mehrwöchigen Aufenthalt erwarten obwohl sie die tatkräftige Unterstützumg eine örtlichen “Fixers” hatten. Daß sie in eine der größeren politischen Krisen hineinfahren würden ist eine andere Sache. Ich drücke den beiden sehr Netten, die mich drei Tage ertragen haben auf jeden Fall die Daumen.

Nachdem ich damals zwar ein Visum für Nagorno-Karabach besorgt hatte, aber nicht hinfahren konnte, habe ich mich nochmal erkundigt. Die Region wurde im Herbst 2020 durch einen azebaidschanischen kriegerischen Angriff weitgehend besetzt. Ein (vorläufiges) Friedensabkommen vom 10. November 2020 bestimmt, daß alle ehemals zur Sowjetrepublik Aserbaidschan gehörenden sieben Distrikte wieder an dieses Land zurückgegeben werden. Bis auf einen 5 km breiten Korridor durch Lachin soll das Gebiet also wieder zur Exklave Armeniens werden. Ob und wann überhaupt eine Einreise für Ausländer wieder möglich sein würde konnte ich nicht klären. Zwar gab es die erwähnte Botschaft noch, es war aber geschlossen. Im Netz fand sich der Heinweis auf ein Online-Antragsverfahren, das aber eine Woche dauern solte. Bis dann hätte ich mich in Eriwan blöd gesoffen gehabt, weil viel nicht zu tun oder sehen ist.
Ich habe noch einmal die Sehenswürdigkeiten besucht, ein paar Photos unten. Für den botanischen Garten war es schon zu kalt. Oberhalb der „Kaskade,“ deren Museum wegen Corona immer noch geschlossen war, befindet sich der Siegespark, mit Statue der „Mutter Armenien,“ die in feinstem Sowjetstil mit ihrem Schwert deutlich grimmiger wirkt als ihre Kollegin in Tiflis. Der Park selbst ist das übliche Monument zum großen vaterländischen Krieg. Unter der Statue ist ein kleines Museum mit schwerem sowjetischemnGerät außen rum. Das hat man in den 1990ern erweitert um den armenischen Sieg im ersten Karabachkrieg, was wie erwähnt nach den Verlusten des christlichen Armenien durch die muslimisch-azebaidschanischen Horden des von den Türken militärisch unterstützen im Vorjahr doch sehr deplaziert wirkte. Eine der Wärterinnen bat ihre gesammelten Euromünzen-Trinkgelder in einen Schein zu wechseln, damit sie diesen auf der Bank tauschen können – gern geschehen.

Dill Black-Gold Knot Wall Wappen Baustelle Zahnstocher Stalinorgel Winners Kirche ALT Denkmal

Eriwan ist, spätestens nach drei Tagen, nicht die aufregendste Stadt dieses Planeten. Dazu kam, daß die Unterkunft von einer Gruppe Perser im voraus komplett gebucht war. Also mit dem Nachtzug wieder zurück nach Tiflis. Georgien verlangte neben einer Impfung weiterhin einen PCR-Test. Der war für etwas mehr als € 15 zu bekommen – für die gleiche Leistung kassierte man in Deutschland saftige € 70 und mehr.
Die gerorgische Grenzkontrolle war überraschend pingelig. Nett, daß Fahrgäste der 1. Klasse im Wagen kontrolliert wurden, Platzkartniki bei Regen im Freien am Schalter warten durften. Ich war als letzter dran. Mit mir im Abteil war eine estnische „Nichtbürgerin,“ (Im wesentlichen handelt es sich bei den „Nichtbürgern“ (неграждане) im Baltikum um meist russischstämmige Sowjetmenschen, die vor 1991 in die baltischen Republiken umzogen und dort eine propiska (Dauerwohnerlaubnis) hatten. Je nach juristischem Blickwinkel sind sie Staatenlose oder Ausländer die Abschiebeschutz genießen. Im Rahmen der, gerade im Baltikum besonders russenfeindlich durchgeführten, Auflösung der Sojetunion wurde diesem Personenkreis die neuen Staatsangehörigkeiten verweigert, obwohl sie oft seit Jahrzehnten hier lebten. Ihr einziger Fehler war der Gebrauch des Russischen als Sprache und ein nicht-baltischer Nationalitätsvermerk im sowjetzeitlichen Inlandspaß (Personalausweis). Bis heute haben hunderttausende Betroffene keine Bürgerrechte; in Lettland war es anfangs fast ein Drittel der Bewohner. Von der Freizügigkeit in der EU sind sie ausgeschlossen, sie dürfen lediglich 90 Tage pro 180 „einreisen.“ Um Vollbürger werden zu können, müssen sie in Lettland einen rigorosen Sprachtest im Rahmen des normalen Einbürgerungsverfahren bestehen. Noch schwieriger macht es Estland. Die EU, sonst sehr empfindlich bei Menschenrechtsverstößen, hat im Rahmen der Verhandlungen zur politisch gewollten schnellen Osterweiterung der Gemeinschaft 2004 beide Augen sehr fest zugedrückt.
Ausführlich auf Wikipedia: 1 a) Lettische Staatsangehörigkeit, 1 b) Nichtbürger (Lettland), 2 ) Nichtbürger (Estland), 3 ) Non-Citizens in Estonia and Latvia: Time for Change in Changing Times? [bezeichnenderweise mit Fragezeichen, OSCE Yearbook 2015, Baden-Baden 2016, S. 181-195].)
die zusätzlich zu Ihrem „Paß“ (Estnische „Nichtbürgerinnen“ haben in ihrem estnischen Fremdenpaß, hier Muste von 2007, die Staatsangehörigkeit XXX – voll geil, eh!)
est Paß
alle möglichen Dokumente brauchte, um ihre Tochter hier besuchen zu dürfen.